Neue Herausforderungen im Kartoffelanbau – Zikaden übertragen die Krankheiten Stolbur und SBR – Was tun?

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29. September 2024

Mit den wärmeren Temperaturen die wir in den letzten Jahren in Bayern und auch in Rest von Deutschland haben, kommen neue Schädlinge. Die Schilf-Glasflügelzikade macht außer in Rüben jetzt auch in Kartoffeln und Zwiebeln Probleme. Sie überträgt nicht nur die gefährliche Vergilbungskrankheit Syndrom Basse Richesse (SBR) in den Rüben, sondern führt in Kartoffeln zu Gummiknollen durch bakterielle Knollenwelke. Die Krankheit ist als Stolbur in der Kartoffel bekannt. Im schlimmsten Fall werden die Knollen Gummiartig, Softknollen genannt.

Die eingewanderte Schilf-Glasflügelzikade (Pentastiridius leporinus) hat sich offenbar inzwischen an die Kartoffelknollen angepasst und ist mitverantwortlich für Welkekrankheiten. Sie überträgt dabei Bakterien, die oft zu geschrumpften, weichen Gummiknollen führen.

Die oft schon von Wassermangel geschwächten Kartoffelpflanzen entziehen der Knolle bei Befall die restliche Flüssigkeit, wodurch die Gummiknollen entstehen. Die sind aber beispielsweise auch bei anderen Welkekrankheiten zu finden. Zikaden übertragen als Hauptvektor Stolbur.

Leider können wir hier nicht mehr auf Leistungsfähige hochaufgeladene Insektizide zurückgreifen. Neonicotinoide, die hier vielleicht Abhilfe schaffen könnten, sind weder politisch noch vom Verbraucher gewollt. Also die Illusion, dass hier wieder Notfallzulassungen kommen werden, von denen müssen wir Abstand nehmen und müssen uns neue Wege suchen um diese neue Herausforderung im Kartoffelanbau in den Griff zu bekommen.

 

Bekannt ist die Problematik schon länger in Österreich. Bis dato waren für Bayern die Alpen die natürliche Schutzbarriere. Jetzt kommen die Zikaden aber vom Norden aus in den Süden. Die Anbaugebiete in Rheinland-Pflanz sind stark betroffen und auch in Franken wurden 2023 erste Stolbur-Vorfälle gemeldet. Nun hat es die Region um Ingolstadt erreicht, wo natürlich auch sehr viel Zuckerrüben angebaut werden. Leider wandert die Zikade aktuell entlang der Donau…

Heute kamen auch Meldungen rein, dass Zikaden im Raum Neunburg zu finden sind auf den Rübenäckern. Also wird sich das Problem 2025 auch im Landkreis Neunburg-Schrobenhausen ansiedeln. Die Zikaden können jährlich 25-30 km wandern und wir müssen damit rechnen das die Thematik in den nächsten Jahren auch in den anderen Anbaugebieten wie München, Niederbayern, Oberpfalz und Mittelfranken vorzufinden sein wird.

So wenig ist bisher über Zikaden als Schädlinge in Kartoffeln bekannt:

Erhebliche Ertragseinbußen nennt Sarah Christin Behrmann in ihrer Doktorarbeit bei Prof. Andreas Vilcinskas an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Demnach ist bisher noch recht wenig bekannt über die Schilf-Glasflügelzikade als Krankheitsüberträger. So fehlen genaue Daten etwa zu

  •     Lebenszyklus,
  •     Eiablage,
  •     Entwicklungsstadien,
  •     Fressverhalten,
  •     Mobilitätsverhalten des Vektors.
  •  

In 2024 wurden erste Möglichkeiten getestet, auch von der Firma Südzucker, was man tun kann um sich die Tierchen vom Leib bzw. von der Pflanze fernzuhalten.

Auch wir beschäftigen uns mit dem Thema Schilf-Glasflügelzikade. Am Ende wissen wir das wir in folgenden Bereichen eingreifen können, um das Problem Zikade in den Griff zu bekommen:

Repellente Maßnahmen --> sprich wir machen das Blatt unattraktiv zum Saugen

Fruchtfolge, kein Weizen, Roggen, Triticale oder Wintergerste nach Kartoffeln und Zuckerrüben

Humusaufbau fördern --> laut Aussagen von Herrn Manfred Dreßler (Mitgebründer von Beta-Sol: www.res-naturae.de) von Res-Naturae wissen die Kollegen in Wiesbaden die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen nicht, warum der eine mit 150 - 200 dt. und der andere Anbauer mit 400 - 500 dt. je ha Kartoffel heimfährt.

Die Vermutung liegt nahe, dass ein Zusammenhang mit dem Boden vorliegen. Ein gesunder Boden ist auch hier wahrscheinlich einer der Schlüssel zum Erfolg!

Insektizide – Problem der langen Flugzeit – 3 Monate Flugzeit – die kommt immer wieder… Aber gehören auch zur ganzheitlichen Strategie!

Biologische Bakterienprodukte die die Nymphen der Zikaden im Boden schon schädigen

Neue biologische Ansätze um den Lebensraum für die Nymphen und Zikaden unattraktiv zu machen

 

Aktuelle Situation im Raum Kösching, nähe Ingolstadt als Beispiel: Wir haben einige Kartoffelflächen uns angeschaut und finden massiv weiße Nymphen im Boden. Hier ein Bild dazu:

 

Auch finden wir Symptomatiken in Zuckerrübenbeständen und in Kartoffelbeständen. Wenn auch nicht alles dieses Jahr gleich Stolbur sein muss. Aufgrund der Witterung sieht man auch sehr viel Rhizoctonia, Schwarzbeinigkeit und andere Welkekrankheiten im Feld.

 

Ansätze im Vorgehen zur Bekämpfung der Zikaden:

Wir sollten versuchen, nach der Ernte die Nymphen der Zikaden zu schädigen. Einige der kleinen Lebewesen haben sicher auch die mechanische Belastung der Erntemaschinen nicht überlebt. Wobei der Kartoffelvollernter hier viel mehr schädigt als der Rübenernter. Aber nicht jede Nymphe wird im Boden durch den Roder kaputt gemacht. Das wäre auch wieder zu schön um wahr zu sein.

Vorschlag:

Die abgeernteten Zuckerrüben- und Kartoffelfelder jetzt behandeln.

Mögliche Maßnahmen:

Nach der Ernte der Zuckerrüben und Kartoffeln, zur Bekämpfung der Nymphe bitte 10 Liter / ha NovaFerm Viva einsetzen und leicht einarbeiten. Bitte bezüglich Wasserkonditionierung etwas unternehmen.  Hier die Infos zur Wasserkonditionierung was man beachten sollte. (hier das INFO-Blatt)

Alternativ und sehr vielversprechend nach den Versuchen die wir dieses Jahr gemacht haben, auf betroffenen Flächen:

Nach der Ernte der Zuckerrüben und Kartoffeln, das Feld bitte mit 300 l Wasser und 1 l Karrikin behandeln, dann leicht einarbeiten, durch die Veränderung des Boden Mikrobions werden die Zikaden eingedämmt. Das sollte reichen um die Populationen stark zu drücken. Am besten keine Winterkultur nach der Ernte säen, wobei dies nicht auf allen Flächen möglich sein wird. Sollte trotzdem Weizen gebaut werden, nochmals 0,5 l Karrikin bei der Nachauflauf-Herbizidmaßnahme im Weizen mitlaufen lassen oder Solo nach der Herbizidmaßnahme spritzen. Kosten je Liter Karrikin liegen bei 32-40 Euro je nach Abnahmemenge.

--> Wenn auch nicht gleich jeder bereit ist hier eine Investition zu tätigen, bitte probiert was aus, damit wir alle Erfahrungen sammeln können.

 

Wenn die Kartoffeln 2025 gepflanzt wurden, sollten diese mehrmals mit verschiedenen Mitteln behandelt werden. Hier gibt es verschiedene Optionen. Wir können die Blattoberfläche verändern damit die Zikaden nicht auf das Blatt gehen bzw. saugen/stechen:

  1. Die Blätter unattraktiv für die Zikaden machen mit dem Produkt BeGreen von Biolchim. Begreen macht die Blätter härter, es saugen weniger Zikaden. Wir setzten dieses Produkt seit einigen Jahren auch gegen Spinnmilben ein, mit sehr gutem Erfolg. Erste Versuche in Franken haben gezeigt, das die Zikade hier nicht mehr an die Pflanzen rangeht.
  2. Elementar Schwefel, z.B. UPL Schwefel 825 oder ähnliche flüssige Schwefeldünger einsetzten um die Zikaden von den Blättern fern zu halten.
  3. Kristalkalk von Bodenversum aus Österreich, in Verbindung mit Kantor als Haftmittel spritzen bei den Fungizidmaßnahmen. Die Oberfläche der Blätter wird wie ein „Reibeisen“ für die Kleinstlebewesen und wirkt so Repellent. Aufwand: 8 kg je ha, Kosten je kg 2,45 - 2,50 Euro. Also ha-Kosten liegen bei rund 20 Euro. Hilft auch gegen Sonneneinstrahlung bei sehr strahlungsintensiven Tagen im Hochsommer.                                                                                    
  4. Auch das mehrmalige einbauen von Silizium mittels Blattdüngung hilft. Siliziumkristalle legen sich auf das Blatt und wirken wie spitzige Speere, sprich die Tiere gehen nicht auf die Blätter. Produkte wie Biolit (https://www.biolit-natur.com/de/biolit-ultrafein-plus-blattspritzung.html), BetaSil, Compo Basfoliar Resist SL und ein Gold Dry von Biolchim sind z.B. Siliziumdünger die sehr gut sind.
  5. Öle einsetzen, während der Vegetation, damit die Tiere verkleben. Öle, wie Agaröl, Para Sommer, Promanal oder ähnliches können nicht meist mit den Fungizidmaßnahmen kombiniert werden. Zusätzlicher Aufwand. Aber auch eine gute Möglichkeit hier was gegen unseren Gegner zu tuen.

 

  • Weiterhin zur Verfügung stehende Insektizide mit einsetzen um die Zikaden an sich zu treffen. Das Hauptproblem an den Insektiziden die wir derzeit noch zur Verfügung haben ist nicht, dass Sie keine Wirkung auf die Zikaden haben, sondern dass die Zikade an sich eine Flugzeit von 3 Monate hat. Sprich wir können immer nur einen Teil der Population treffen und bekämpfen. Wir bekommen die Tiere nicht 100 % weg. Sicherlich muss dies aber auch weiterhin miteingebaut werden.

 

Vorschlag konkret wie ein Plan für den Anbau 2025 aussehen könnte:

 

 

 

   

Maßnahme:

weitere Maßnahme:

Maßnahme gegen Zikaden:

         
 

Maßnahme jetzt im Herbst 2024, auf allen Flächen wo

1,0 l je ha Karrikin von Denatura

 

Kartoffeln oder Zuckerrüben gestanden sind:

spritzen und leicht einarbeiten

         
 

Alternativ:

   

10 l NovaFerm Viva von Agrosolution

       

je ha spritzen und leicht einarbeiten

1.

Spritzung:

Herbizid

   

2.

Spritzung:

Zikade (Extrafahrt)

Ansatzförderung

0,5 l je ha Karrikin von Denatura

3.

Spritzung:

Fungizid

Insektizid

2 l Begreen von Biolchim

4.

Spritzung:

Fungizid

Blattdünger…

0,5 l je ha Karrikin von Denatura

5.

Spritzung:

Fungizid

Insektizid (falls nötig)

8 kg Kristallkalk plus Kantor je ha

6.

Spritzung:

Fungizid

Blattdünger…

Silizium oder elementar Schwefel

7.

Spritzung:

Fungizid

 

0,5 l je ha Karrikin von Denatura

8.

Spritzung:

Fungizid

 

2 l Begreen von Biolchim

         
 

Nach der Ernte der Kartoffeln, prüfen auf Nymphen im Boden und wenn wirklich Bodenbehandlung

 

mit Karrikin oder NovaFerm Viva wiederholen auf den Kartoffelflächen.

 

Zur Kostensituation:

Der Einsatz von 2-3 l Karrikin wird sich auf 80 – 120 Euro belaufen.

Der Einsatz von Begreen, 25 Euro je ha pro Einsatz. Kristallkalk je ha je Maßnahme ca. 20 Euro. UPL Schwefel je Einsatz bei 3-4 l ca. 16-20 Euro. Gesamt schätzen wir die Mehrkosten je ha auf rund 200 Euro pro Jahr. Dies hört sich im ersten Moment sehr viel an, aber die Verluste die durch Stolbur und SBR hinsichtlich Ertrag- und Qualität entstehen werden viel größer sein.

Diese Vorgehensweise haben wir in den letzten Wochen konzipiert, weil wir hier ein sehr großes Problem für Bayern und alle anderen Kartoffelregionen sehen. Versuche waren alles sogenannte „Schauanlagen“ und keine Exaktversuche. Für Exaktversuche war es aufgrund der Dringlichkeit der Thematik keine Zeit. Erfahrungen und Empfehlungen der Hersteller der Produkte sind hier natürlich miteingeflossen, sowie alle Berichte die wir von Landwirten bekommen haben, und die wir im Anbau 2024 begleitet haben bei den bereits durchgeführten Maßnahmen.

Auch können wir zum jetzigen Zeitpunkt nicht 100 % Garantie dafür übernehmen, die Bestände Stolbur – Frei zu bekommen. Aber wir denken, dass wir mit diesen Maßnahmen einen guten Schritt nach vorne machen, im Kampf gegen Stolbur und SBR. Hier müssen wir alle an einem Strang ziehen, nicht das uns irgendwann der Kartoffelanbau in Bayern komplett wegbricht.

 

Beitrag von Johannes Seemeier