Heißer und trockener Sommer, Kartoffeln die im Boden gealtert sind, hohe Wärmesumme und was ist jetzt in der Lagerung zu beachten?
Nach einem heißen und sehr trockenen Sommer 2022 kommen die Kartoffeln jetzt schön langsam in das Lager. Hier muss jetzt jeder Betriebsleiter seine Kartoffeln, die Sorteneigenschaften vor allem in Hinblick auf die Lagerung kennen. Es sollte auch noch einmal gezielt überlegt werden ob eine Einlagerung der Ware Sinnvoll ist oder eher lieber die direkte Vermarktung jetzt finanziell mehr Ertrag bietet. Gerade in dieser Zeit, wo uns die Energiekosten davonlaufen, und die eine oder andere Anschlußsorte eh immer gerne früh zu keimen beginnt, sollte man überlegen ob eine Einlagerung die richtige Entscheidung ist oder eher besser nicht. Sobald die Augen aufhellen und leichte Keime zu sehen sind, muss hier darüber nachgedacht werden. Sollte eine Marabel, Musica, Gala oder ähnlich triebige Sorten für den Packbereich vorgesehen sein, kann es nach diesem heißen Sommer schnell dazu kommen, dass die Ware sehr früh keimt und dann eventuell nicht mehr für diese Vermarktungsschiene geeignet ist.
Es sollte auch jedem Anbauer klar sein, dass zum einen das Ein- und Auslagern ein Aufwand darstellt, der auch mit Kosten zu bewerten ist. Zum Anderen muss auch abgewogen und miteinkalkuliert werden, dass gerade in der Trocknungsphase der Kartoffeln und in der Übergangszeit bis die Kartoffeln abgekühlt sind der meiste Gewichtsverlust stattfindet. Wir sprechen hier schnell mal über 5 % in den ersten 4 Wochen Lagerzeit.
5 % Lagerverlust bei Preisen über 20,00 Euro je dt. für Speiseware sind hier min. mit 1,00 Euro anzusetzen. Auch darf nicht unterschätzt werden, dass jetzt die Gefahr von Erwinina, die aus der Speisesaison 2021 mit dem Pflanzgut wieder in den Boden kam, und jetzt nach den doch ergiebigen Niederschlägen der letzten Tage wieder ein Thema werden könnte.
Entscheiden muss es am Ende des Tages jeder Betriebsleiter selber, aber manchmal ist es besser einen dicken Spatz in der Hand zu haben als eine fette Taube am Dach sitzen zu haben, die nicht greifbar ist.
Wir verstehen jeden Landwirt, der seine Ware kennt, und nun einfach das finanziell möglichste dafür herausholen möchte. Von dem her aber bitte trotzdem kontrolliert die Ware regelmäßig, über welche Lagerform sprechen wir - Kiste, Kistenkühlhaus oder doch nur ein einfaches Flachlager mit eventuell in die Jahre gekommener Lüftungstechnik. --> Ehrliche Einschätzung der Technik in Bezug auf die Entscheidung.
Herausforderungen in der Lagerung 2022 - diese Punkte sind zu beachten:
Auf Grund der sehr heißen Bedingungen in diesem Jahr wird die Lagerung wieder einige Herausforderungen mit sich bringen!
Die Kartoffeln werden schon physiologisch älter aus dem Boden kommen und damit auch keimfähiger sein. Einige Sorten haben bereits im Boden angefangen, zu keimen. Wenn das Wetter jetzt mehr Niederschlag bringt, muss auch noch mit Durchwuchs gerechnet werden.
Natürlich bleibt schnelles Trocknen und eine gute Wundheilung essentiell für die weitere Lagerung und ein gutes Lagerergebnis. Eine nicht gut geheilte Kartoffel verliert mehr Wasser und fängt auch eher an zu keimen.
Falls das Produkt nicht bereits trocken eingelagert werden kann, gelingt schnelles Trocknen nur, wenn man auf relative Luftfeuchte steuern kann. Kühlen bedeutet gleichzeitig auch trocknen, aber wenn zu stark abgekühlt wird, dauert eine gute Wundheilung deutlich länger. Bei einer Produkttemperatur von 18°C dauert die Wundheilung nur wenige Tage, bei einer Produkttemperatur von 12°C schon einige Wochen. Es gibt auch die Möglichkeit über wärmere Außenluft zu trocknen, aber dafür muss die Außenfeuchtigkeit niedrig genug sein. Ein Außen-Feuchtigkeitssensor ist daher unumgänglich zur Bestimmung der absoluten Feuchtigkeitsdifferenz zwischen Außen und Innen.
Tipps für die erste Lagerphase
--> Frühes Anfangen mit der Keimhemmung ist dieses Jahr ein Muss. (Gerade für Ware die lange liegen bleiben soll!)
Überwachen Sie täglich den Zustand Ihres Produkts. Keimhemmungsmittel und -gerät sollten verfügbar und einsatzbereit sein, damit direkt ohne Zeitverlust gehandelt werden kann. --> Sprechen Sie mit Ihrem Landhändler, ob Keimhemmungsmittel kurzfristig verfügbar ist oder ob man sich die Ware auf Bestand stellen muss! Einige Landwirte haben auch umgestellt und lassen extern dies durchführen. Sprechen Sie schon jetzt Ihren Dienstleister an, um Termine frühzeitig zu sichern. Wer zu spät kommt...!
- Ist eine Kühlanlage vorhanden (meinstens bei Pflanzgut und Speisekartoffeln) sollten Sie das Produkt so schnell wie möglich runterkühlen, entweder mit Außenluft und sonst mit der mechanische Kühlung. Trotz aktuell höherer Energiekosten! Desto eher die Kartoffeln in der Keimruhe sind, desto besser. Aber achten Sie immer darauf, dass sich kein Kondensat an den Kartoffeln bildet, dann geht es zu schnell. Wenn die Kartoffeln bei 18°C liegen und trocken sind, findet auch während der Abkühlung noch eine gute Wundheilung statt.
- Passen Sie bei Industriekartoffeln beim schnellen Runterkühlen gut auf. Ohne eine Kühlanlage sollte die Produkttemperatur nicht zu schnell unterhalb der Außentemperatur liegen, damit man immer noch die Möglichkeiten zum Lüften hat.
- Falls es sich nicht vermeiden lässt, Durchwuchskartoffeln mit Kinderbildung und Glasigkeit einzulagern, lassen Sie sich am besten von einem Lagerspezialist beraten. An der Stelle wird es doch komplizierter. --> Ansprechpartner finden Sie bei Ihrem Lieferanten der Lüftungstechnik! Diese können Sie auch gut beraten, wie im Detail der Lüftungscomputer eingestellt werden muss.
- Lüftung per Hand --> Immer auch den Wetterbericht im Auge behalten, um die Nachttemperaturen zu kennen! Aktuell haben wir bereits relativ kühle Nächte, das kann sich aber auch schnell wieder änderen wenn ein "goldener Oktober" kommt.
Zu Fragen in der Lagerung wenden Sie sich wie gesagt an Ihren Lieferanten der Lüftungstechnik oder an Ihren Berater.
Viel Erfolg für die Lagersaison 2022!
Beitrag erstellt von Johannes Seemeier und Frits Schlimback, Muss-Agrartechnik